Bielefeld – Sennestadt

Die Sennestadt wurde in den 1950er und 1960er Jahren errichtet. Die Großsiedlung wurde von der zeitgleich gegründeten gemeinnützigen kommunalen Gesellschaft „Sennestadt GmbH“ entwickelt. Als Musterbeispiel des organischen Städtebaus der Nachkriegszeit hat die Siedlung einen besonderen baukulturellen Wert.

Seit einigen Jahren ist die Sennestadt in den Fokus der kommunalen Aufmerksam gerückt – Funktionsverluste und fehlende Instandhaltung schwächen die städtebauliche Qualität der Großwohnsiedlung und Mängel im Wohnangebot sind erkennbar.

Mit dem von der Kommune angestoßenen Stadtumbauprozess soll eine soziale Quartiersentwicklung unter Berücksichtigung der besonderen baukulturellen Belange erreicht werden. Mit der von der Sennestadt GmbH koordinierten Energetischen Stadtsanierung wurde der Zielkanon um energetische Themen erweitert. Die Herausforderung und Chance liegt darin, dass die Gebäude der Sennestadt homogen gealtert sind und einen einheitlichen Sanierungsbedarf besitzen.

Das Quartier

Einwohner 14.707
Fläche (in ha) 395
Eigentümerstruktur Einzeleigentum (überwiegend in Reihenhäusern), Wohnungsunternehmen, Wohnungseigentümergemeinschaften
sozio-ökonomische Ausgangssituation seit 2012 wächst die Bevölkerung in der Sennestadt (ebenso wie in der Gesamtstadt), in einzelnen Quartiersbereichen liegt der Migrationsanteil bei 37-47 %
energetische Ausgangssituation flächendeckendes Erdgasnetz
Akteure Stadt Bielefeld, Sennestadt GmbH, Stadtwerke Bielefeld
Förderkulisse Städtebauförderung Stadtumbau West (2005-2007), Soziale Stadt (seit 2007)

Konzepterstellung

Die Konzepterstellung erfolgte in einem kooperativen Prozess der Stadtteilakteure, der durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit flankiert wurde.

Neben den drei Projektpartnern – Stadt Bielefeld, Sennestadt GmbH, Stadtwerke Bielefeld – wurden weitere Akteure und Gremien (z.B. Bezirksvertretung Sennestadt, Arbeitskreise Ortsbildpflege und Wohnen des Sennestadtvereins) eingebunden. Auch mit dem Steuerungskreis Stadtumbau wurde eng zusammengearbeitet. Die Kontakte aus dem Stadtumbauprozess und die Vernetzung der Sennestadt GmbH wurden genutzt, um mit Wohnungsbaugesellschaften, Eigentümergemeinschaften und Laienvermietern auch zur energetischen Sanierung ins Gespräch zu kommen.

In Kooperation mit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen wurden Verbrauchsberatungen für 30 Eigenheimbesitzer angeboten. Die Beratungskampagne wurde mit einer Fragebogenaktion gekoppelt. Mit den abgefragten Daten zu Gebäudezustand, Energiebedarf und Betriebskosten konnten die von den Stadtwerken Bielefeld übermittelten Energieverbrauchsdaten ergänzt werden.

Ein Aktionstag mit anschließender Themenwoche „Sennestadts Zukunft gestalten“ vereinte Stadtumbauthemen mit der Energetische Stadtsanierung. Bürgerinnen und Bürgern wurden bisher erzielte Ergebnisse vorgestellt und Projektideen mit ihnen diskutiert.

Als Leitprojekt des Konzepts wurde eine Wärmestrategie entwickelt, die eine zukünftige Versorgung des Quartiers über Kraft-Wärme-Kopplung vorsieht. Die Nahwärmeversorgung soll in einem zentralen verdichteten Bereich beginnen und von den Stadtwerken sowie als Bürgernetz aufgebaut werden (weitere Informationen). Sukzessive werden weitere Gebäude angeschlossen oder weitere Wärmeinseln zu einem gemeinsamen Netz verbunden. Die bestehenden Gasheizungen sollen so nach und nach ersetzt werden. Die Wärmestrategie basiert auf einer parallelen energetischen Ertüchtigung der Gebäude.

Das Sanierungspotenzial wird dabei differenziert und unter baukulturellen Gesichtspunkten betrachtet. So wurden Beispiele für eine Reihenhaussanierung erarbeitet, die neben einer energetischen Optimierung der Gebäudehülle auch Möglichkeiten einer Wohnraumerweiterung aufzeigen.

Umsetzung des Konzeptes

Um die Umsetzung des Konzeptes anzuschieben, wurde ein Sanierungsmanagementteam eingesetzt. Teil des Teams ist ein langjährig in der Sennestadt aktives Architekturbüro. So hat die energetische Stadtsanierung vor Ort ein „Gesicht“.

Die Wohnungswirtschaft konnte als Partner für die Konzeptumsetzung gewonnen werden. In einem Werkstattverfahren wurde eine gemeinsame Perspektive für den lokalen Bestand eines deutschlandweit agierenden Unternehmens entwickelt. Perspektivisch will es die Bestände in der Sennestadt – auch energetisch – erneuern.

Insgesamt konnte durch den Prozess der Energetischen Stadtsanierung mit seinem integrierten Ansatz der Quartiersgedanke stärker in den Vordergrund gerückt werden. Aufgaben wie die Förderung von Nachbarschaften, die Ausdifferenzierung von Wohnungsangeboten, die Erhöhung des Wohnwerts und die altersgerechte Quartiersentwicklung werden auch nach Auslaufen des Sanierungsmanagements weiterverfolgt.

Untersuchungsfokus

Vielfältige Strategien zur Aktivierung von Einzeleigentümern

Die Situation in der Sennestadt ist identisch zu der in vielen anderen Quartieren der Energetischen Stadtsanierung. Die privaten Eigentümer stehen einer energetischen Sanierung distanziert gegenüber – Aufwand und Kosten werden gemieden, außerdem ist das Alter der Eigentümer ein Hinderungsgrund. Das Sanierungsmanagement der Sennestadt arbeitet mit vielfältigen Aktivierungsstrategien daran, für die energetische Sanierung zu werben.

Zunächst steht dabei die Förderung der Wertschätzung für und des Wissens um die eigene Immobilie im Vordergrund. Die „Hausakte“ ist hierfür ein zentrales Instrument. In mehreren Workshops wurden Eigentümer angeleitet, ihre „Hausakte“ zu erstellen. Sie enthält alle das Haus betreffenden Unterlagen – Baupläne, Unterlagen zu Reparaturen etc. Mit diesem ersten Schritt des Sammelns, Aufräumens und Sortierens wurde einerseits ein Anlass gegeben, sich mit dem eigenen Wohnhaus auseinander zusetzen. Andererseits sind damit alle relevanten Unterlagen zusammengetragen, wenn beispielsweise weitere Reparaturen oder eine Sanierung anstehen. Auch falls das Gebäude den Eigentümer wechselt, sind alle relevanten Unterlagen für den Neueigentümer oder auch die Erben vorbereitet.

Ein weiteres zentrales Aktivierungsinstrument ist – insbesondere in einem Quartier mit homogenen Bautypen wie der Sennestadt – die Musterbaustelle. Durch intensive Recherchen und mit viel Überzeugungsarbeit ist es dem Sanierungsmanagements gelungen, einen Eigentümer dafür zu gewinnen, seine Reihenhaussanierung öffentlich zu zeigen. Eine Musterplanung sowie Informationen zur offenen Baustelle werden auf der Webseite des Sanierungsmanagements vorgestellt. Eine weitere Musterbaustelle ist in Vorbereitung.

Die Stadtteilidentität zu stärken und damit auch den Boden für Investitionen in den Wohnungsbestand zu bereiten, ist das Ziel des Projektes „Farben der Sennestadt“. Es wurde ein Farbfächer entwickelt, der das ursprüngliche Farbkonzept der Fassaden rekonstruiert und jetzt vermarktet wird. Die Fassaden von drei Mehrfamilienhauszeilen, die sich im Eigentum einer Wohnungseigentümergemeinschaft befinden und deren Wärmedämmverbundsysteme mit der Zeit unansehnlich geworden waren, wurden bereits in den Farben der Sennestadt gestrichen.

Sanierungsmanagement im Auftrag einer Stadtteilentwicklungsgesellschaft

Integrierte Quartiersentwicklung gelingt in der Bielefelder Sennestadt gut, weil die hier verwurzelte Sennestadt GmbH mit ihrer koordinierenden Netzwerkarbeit dabei hilft, Stadtentwicklungsziele, Klimaschutzziele und Mobilitätsziele zusammenzuführen und selbst eine aktive Rolle bei der Planung und Realisierung einer Klimaschutzsiedlung übernimmt.

Die Sennestadt GmbH ist eine gemeinnützige Siedlungsgesellschaft, die im Jahr 1956 gegründet wurde, um die preisgekrönten Pläne einer organischen Stadtlandschaft in die Tat umzusetzen. Sie erwarb rund 400 ha Bauland für die Errichtung der Sennestadt und stellte sicher, dass jeder einzelne Bauherr die Planungsideen dieser sozialen Utopie verwirklichte. Durch die Eingemeindung der Sennestadt in die Großstadt Bielefeld wurde die Sennestadt GmbH 1973 eine 100%ige kommunale Tochtergesellschaft und ließ ihre Aktivitäten ruhen. Im Jahr 1995 wurde sie in ihrer Funktion reaktiviert und entwickelte sich bis heute zu einer Transformationsgesellschaft.

Dabei ist die Sennestadt GmbH auch Koordinatorin der Energetischen Stadtsanierung und Auftraggeberin für das Sanierungsmanagement. In einem Projektteam mit dem kommunalen Dreiergespann Stadtverwaltung (Baudezernat und Umweltdezernat), Stadtwerke und Sennestadt GmbH sind kurze Abstimmungsketten und Entscheidungswege möglich. Auch nach Programmablauf wird durch die dauerhafte Institution der Quartiersgesellschaft im Stadtteil ein kontinuierlicher Umsetzungsprozess möglich sein. Durch ihre langjährige Tätigkeit verfügt die Sennestadt GmbH über ein breites Netzwerk im Quartier und direkte Kontakte zu relevanten Entscheidungsträgern in der Stadtverwaltung und darüber hinaus. Außerdem ist sie für die erste sowie alle weiteren Eigentümergenerationen ein wichtiger Ansprechpartner (beispielsweise auch, wenn Gebäude veräußert werden sollen, denn sie besitzt ein Vorkaufsrecht an allen je von ihr entwickelten Grundstücken und hat dadurch einen guten Überblick über die Preisentwicklung im Stadtteil). Während der Konzeptphase übernahm die Sennestadt GmbH die Koordination der lokalen Pressearbeit. Gespräche mit den Eigentümergemeinschaften, Hausverwaltungen und Bewohnerbeiräten wurden über die Gesellschaft eingeleitet. Auch das Sanierungsmanagement kann durch die Anbindung an die Transformationsgesellschaft auf die vorhanden Kommunikationskanäle und das aufgebaute Vertrauen zurückgreifen. Dadurch dass die Sennestadt GmbH finanziell eigenverantwortlich und unabhängig handelt, kann sie besondere Maßnahmen und Aktionen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Aktivierung anschieben. So wurde beispielsweise der Eigenanteil (30€/Beratung) für die 30 Beratungen durch die Verbraucherzentrale während der Konzeptphase von der Sennestadt GmbH übernommen. Auch die Einrichtung und Betreuung der benannten Internetseiten, ein Folder über den ersten Förderzeitraum des Sanierungsmanagements sowie die Erstellung von Förderskizzen für Einzelprojekte wurden von ihr finanziert.